Der Handel von Aktien ist – zugegeben – mit Risiken behaftet. Da verwundert es nicht, wenn viele diesem Thema sehr reserviert gegenüber stehen. Vor den Gefahren wird gewarnt, aber die Chancen, die dabei entstehen, werden von vielen Menschen einfach ignoriert. So kommt es, dass in Deutschland noch immer Milliarden auf den Sparkonten liegen und dort – aufgrund der Inflation – von Tag zu Tag an Kaufkraft verlieren.
Das lässt dann doch einige einlenken und sie beginnen sich für Aktien und die Börse zu interessieren. Doch Geduld ist eine Tugend an der Börse und das tägliche Auf und Ab kann ganz schön frustrierend sein. So kommt man vielleicht auf den Gedanken, den Prozess „Geld verdienen“ zu beschleunigen und stößt man auf etwas, von dem man davor vermutlich noch nie gehört hat: Trading – oder Daytrading.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Trading?
Beim Trading oder Daytrading geht es anders als beim Investment darum, Wertpapiere zu kaufen und (meist kurzfristig) wieder zu verkaufen, um die Kursschwankungen an der Börse auszunützen. Was einfach klingt, ist allerdings eines der schwierigsten Unterfangen im Finanz-Bereich, denn gutes Trading will und muss gelernt werden.
In diesem Beitrag sprechen wir über professionellen Trading und wie sie dieses Geschäft schrittweise lernen können. Doch fangen wir am Beginn der Evolution des Traders an.
Die ersten Schritte beim Traden
Beginner denken, sie können einfach drauf los handeln. Man kauft diese Aktie, dann jene. Und ein paar Tage verkauft man wieder. Manchmal macht man Gewinn – wenn die Börse gerade gute Laune hat und steigt. Selten aber doch brechen die Kurse und damit das eigene Depot heftig ein und man fährt horrende Verluste ein. So wie Anfang 2020, als uns das Corona Virus begann, heimzusuchen. Nicht ganz so heftig wie im September 2021, als die Märkte zu einer kleineren Korrektur ansetzten.
In all diesem Wirrwarr, in den täglichen Schwankungen muss sich der Trader zurecht finden. Und da merkt er dann rasch, dass er Regeln braucht, nach denen er sich richtet. Denn sonst wird er zum Spielball seiner eigenen Emotionen. So weit so gut, doch Regeln sind zu wenig, wie wir gleich sehen werden.
Den Trading Plan entwickeln
Ein Plan muss also her. Wie kommt man nun an solche Regeln? Wie soll der Trading Plan ausgestaltet werden? Früher ging man in die Buchhandlung, um nach Fachliteratur Ausschau zu halten. Heute nutzt man mehr und mehr das Internet, werden doch auf Facebook oder auf YouTube zahlreiche Informationen über Börse und Trading angeboten. Der interessierte Beginner hat die Qual der Wahl: wem soll er vertrauen? Was soll er glauben? Denn teilweise sind die Informationen widersprüchlich.
Vertrauen ist gut, doch glauben führt zur Abhängigkeit. Denn jemanden zu folgen bedeutet, von fremdem Wissen abhängig zu sein. Der Weg zum Erfolg führt schließlich über Wissen, das man selbst verinnerlicht und die ersten Schritte auf diesem Weg möchten wir im Rahmen dieses Beitrags nun gerne mit Ihnen gehen.
Dabei fußt professionelles Trading auf einer strukturierter Vorgehensweise. Auf einen Plan (Strategie). Aber noch viel wichtiger ist, dass man zur Einsicht gelangt, dass man den Plan auf Tauglichkeit prüfen muss, bevor man damit Geld riskiert. Ein Plan ist zu wenig denn es gibt auch schlechte Pläne. Der Trader muss also seine Trading Regeln testen. Wie man das schrittweise macht, besprechen wir in Folge.
Die 4 Kernelemente einer Trading Strategie
Um einen Trading Plan zu prüfen, müssen die Regeln klar definiert werden. Nur wenn etwas exakte vorgaben hat, kann man es prüfen. Klare Vorgaben lassen damit keinen Spielraum für Interpretation.
Was manche als Mangel an Flexibilität abtun würden, bezeichnen Profis als duplizierbare Trading Strategie. Denn auch wenn es möglich ist, ohne Regeln einen hohen Gewinn zu erzielen so fällt die Wiederholung schwer. Denn wenn man nicht weiß, wie man zu den Gewinnen gekommen ist, weil sie vielleicht Zufall waren, ist eine Reproduktion schwierig.
Kommen wir daher zu der Definition klarer Regeln. Dabei besteht jede Trading Strategie aus den folgenden 4 Kern-Elementen und bei allen braucht man exakte Vorgaben, um diese zu überprüfen. Sehen wir weiter.
1. Finanzinstrument
Welche Finanzinstrumente soll man traden? Aktien? Anleihen? Futures? ETFs? CFDs? Wenn ich mich beispielsweise für Aktien entscheide, stellen sich weitere Fragen. Aus welchen Ländern, welche Indizes oder welche Branchen und Sektoren?
Die Wahl der richtigen Finanzinstrumente sollte faktenbasiert getroffen werden und nicht aus einer Laune heraus. Spezialisieren sie sich auf eine Anlageklasse. Wir haben uns beim Trading beispielsweise auf US Aktien spezialisiert und allen voran hier auf die Blue Chips (Aktienuniversum S&P 500).
Diese Wahl bietet uns viele Vorteile wie beispielsweise passende Handelszeiten, eine hohe Liquidität, kleine Spreads und günstige Gebühren (eine gute Brokerwahl vorausgesetzt).
2. Kaufzeitpunkt (Timing 1)
Wann man Aktien kauft, ist von enormer Bedeutung. Es gibt bekanntlich Experten, die behaupten, die Märkte seien Effizient. Das würde bedeuten, dass Timing nicht funktioniert. Denn die Börse hätte alle verfügbaren Informationen bereits in den Notierungen „eingepreist“. Nun mag das in der Theorie gut klingen, in der Praxis zeigt es sich aber, dass wir permanent Übertreibungen (nach oben oder unten) an den Märkten begegnen. Denn sonst würden die Kurse sich nicht in manchen Marktphasen so stark bewegen.
Doch Timing kann nur dann funktionieren, wenn man dazu statistische Methoden heranzieht. Da auch der beste Trader nicht in die Zukunft blicken kann, muss er seine Entscheidung auf das stützen, was ihm zur Verfügung steht. Die Vergangenheit und die historischen Aktienkurse. Analysiert man diese Notierungen auf Muster, findet man Situationen, in denen es sich besonders lohnt, Aktien zu kaufen. Das können saisonale Effekte sein oder einfach Effekte, die man aus den täglichen Schwankungen ableitet.
Diesen Vorgang nennt man im Fachjargon Backtesting. Mittels Backtest, einer Rückrechnung, kann man ganz genau die Effekte bestimmter Muster bewerten. Wenn sie so wollen ist ein Backtest eine „was wäre wenn“ Rechnung. Eine Disziplin, die auf statistischen Methoden beruht. Methoden, die auch andere Branchen mit großem Erfolg nutzen, wie beispielsweise die Meinungsforschung, die Medizin oder die Versicherungs-Branche, um hier nur drei Beispiele anzuführen.
Gleich haben alle Zugänge, dass sie mit einer breiten Datenbasis agieren. Versicherungen durchforsten ihre Vertragsbestände und machen Auswertungen zu Schadenquoten und Schadenhäufigkeiten. Daraus werden bedarfsgerechte Prämiensätze ermittelt. In der Medikamentenforschung gibt es zahlreiche Studien zur Verträglichkeit, bis ein Mittel die Zulassung bekommt.
Und beim Trading analysiert man tausende Datensätze (Aktienkurse) nach diesen Mustern. So lange bis man etwas findet was sich lohnt. Einfacher ausgedrückt: bis man eine Trading-Logik gefunden hat, die nachweislich funktionieren.
Doch diese statistischen Methoden kommen im Trading nicht nur beim Kaufzeitpunkt sondern auch anderweitig zur Anwendung, was uns wiederum zum Timing führt. Dem Verkauf, Teil 3 unseres 4-teiligen Trading Puzzles.
3. Verkaufszeitpunkt (Timing 2)
Genau so wie es klare Regeln zum Kauf von Aktien braucht, muss der Trader exakt wissen, wann er eine Position wieder auflöst. Auch hier gilt es das Timing ganzheitlich zu sehen. Niemals findet man bei jedem einzelnen Trade den exakten Verkaufszeitpunkt. Den muss man auch nicht finden denn viel wichtiger ist es, dass das Timing unter dem Strich funktioniert.
Wenn ich beispielsweise herausfinde, dass es besser ist, meine Trades nach 6 und nicht nach 12 Tagen wieder zu beenden (verkaufen), dann werden die 6 Tage nicht bei jedem einzelnen Trade die beste Lösung darstellen. Aus der Vogelperspektive, also ganzheitlich betrachtet, mache ich aber bei 6 Tagen Haltedauer die meiste Performance. Und zwar über mehrere hundert oder tausend einzelnen Trades hinweg berechnet. Und diesen idealen Zeitpunkt findet man nur, wenn man die Verkaufszeitpunkte anhand von Backtests optimiert.
Anmerkung: natürlich gibt es noch zahlreiche andere Ausstiegs-Logikten. Erwähnt sind hier Kursziele und oder Stopps. Doch auch hier gilt: mittels Backtest findet man auch hinsichtlich dieser Optionen rasch die besten Lösungen.
4. Positionsgröße
Das vierte und letzte Bestandteil einer Trading Strategie ist die Positionsgröße. Natürlich hängt die Anzahl der Aktien, die der Trader kauft, mit seinem Kontostand zusammen. Aber die Finanzkraft ist nicht das einzige Kriterium bei der Frage, wie viele Aktien man kauft.
Nun mag es an dieser Stelle nicht mehr verwundern, dass der gewissenhafte Trader auch die Positionsgröße einer genauen Analyse (Backtest) unterzieht.
Backtest Muster Strategie
Wir haben bisher sehr viel Theorie besprochen. Lassen sie uns nun einen Backtest gemeinsam machen, in dem wir gewisse Regeln definieren, in ein Trading System fassen und dieses System dann auf deren Tauglichkeit prüfen. Wir definieren folgende Parameter:
- Finanzinstrumente: 30 Aktien des aktuellen Dow Jones Index
- Kaufzeitpunkt: Aktien aus dem Dow Jones, die sich über dem 200 Tages Gleitenden Durchschnitt (SMA) befinden und die in den letzten beiden Tagen gefallen sind.
- Verkaufszeitpunkt: nach 10 Tagen Behaltedauer + Stopp Loss bei 3 %
- Positionsgröße: 10 % meines Gesamtkapitals pro Trade
Um dieses Trading System zu testen, braucht man noch folgende flankierende Test Parameter:
- Startkapital: 100.000 USD
- Hebel: 1 – wir traden konservativ und hebeln nicht
- Testzeitraum: die letzten 22 Jahre
- Ordertype: Kauf zur Börseneröffnung mittels „market Order“
- Position Management: 1 Trade pro Aktie zeitgleich möglich
Einen Teil der Settings sehen sie im nachfolgenden Screenshot:
Wir klicken nun auf „Run Backtest“ und in wenigen Sekunden bekommen wir die Ergebnisse. Funktioniert diese Strategie?
Schauen wir uns die Auswertung an und blicken dabei vor allem auf die Zeile APR (Annualized Percentage Return – jährlicher Gewinn in Prozent). Mit 5.80 % Rendite pro Jahr ist die Strategie positiv und macht Gewinn.
In der Spalte rechts daneben sehen wir im Vergleich dazu unsere Benchmark, den S&P 500 Index. Der Index hätte in den letzte 22 Jahren 5,59 % jährlichen Gewinn erzielt. Auch nicht schlecht und fast so gut wie unsere Trading Strategie.
Bei der Darstellung dieser Renditen in Form der Equity Kurve können wir die Ergebnisse sehr schön sehen beziehungsweise miteinander vergleichen.
Grün ist die Entwicklung unserer Trading Strategie dargestellt. Die schwarze Linie ist der S&P 500 Index. Wir sehen, dass wir die Märkte von Beginn weg „outperformen“, also besser abschneiden. Auch in den Krisen (2008 ode 2020) stürzt unsere Trading Strategie weit weniger ab als der Gesamtmarkt. Ob ein Trader diese Strategie nun mit echtem Geld anwendet oder noch bessere Regeln sucht, ist Ermessenssache. Denn Fakten sind das eine, die Interpretation der Fakten obliegt aber noch immer dem Individuum.
Fazit
Keine Ermessenssache sollte es hingegen für den Trader sein, mit Backtests zu arbeiten. Denn nur mittels statistischer Methoden kann man prüfen, ob der Trading Plan sinnvoll ist. Ob er funktioniert.
Ist Backtesting perfekt? Keineswegs. Erstens kann man bei der Entwicklung von Trading Strategien einige Fehler machen (Curve Fitting etc.), zweitens ist Backtesting zeitintensiv. Man muss Ressourcen aufwenden und diese Methodik lernen. Das ist zwar keine Raketenwissenschaft aber auch nicht trivial. In jedem Fall lohnt es sich.
Darüber hinaus ist Backtesting alternativlos. Denn wie sonst soll man wissen, welche Aktien man kaufen und verkaufen soll. Manche Trader stochern ihr Leben lang im Nebel herum, ohne zu wissen, ob ihre Trading Regeln Sinn ergeben. Und irgendwann kommen sie an den Punkt, wo sich die Wege trennen.
Die einen schlagen den Weg des Scheiterns ein, indem sie sich von der Börse frustriert abwenden. Die anderen erkennen, dass sie professionelles Trading lernen müssen. Zweitens öffnet sich damit die Tür für eine nachhaltige Einnahmequelle, die Börse und Trading mir seit mehreren Jahren bietet.
Wenn Sie mehr über das Backtesten von Trading Systemen lernen wollen, empfehlen wir Ihnen das Lesen unseren Fachartikels (mit Video) dazu. Hier sprechen wir zum Beispiel über den Stopp Loss und dessen Anwendung in der Praxis. Viel Erfolg wünscht Ihnen Ihr Thomas Vittner.